Kurzeinführung in aktuelle hygienische Wasserthemen
Trinkwasser
Neben dem immer wieder Überraschungen bereithaltenden mikrobiologischen Tagesgeschäft (siehe Vortrag von Dr. S. Schneider, Hessenwasser → Hygiene & Verlegung & Rohrleitungen & Trinkwasser) 1) spielen zurzeit zwei Bakterienarten bzw. deren Familien eine wesentliche Rolle im Trinkwasser.
1) Die kursiv gedruckten Begriffe sollen die Suche im Internet erleichtern helfen
Pseudomonas aeruginosa
In Kaltwassersystemen (Hausinstallation) wurde Pseudomonas aeruginosa nach dem Einbau von Wasserzählern gefunden. Wie schon aus dem Vortrag von Dr. Schneider ersichtlich ist, wird diese - vor allem für abwehrgeschwächte Menschen pathogene - Bakterienart oft nach Baumaßnahmen gefunden. Während für das Eindringen dieser Bakterien vor allem unsaubere Bauarbeiten eine Rolle spielen können, konnte in Fällen nach Wasserzählereinbau P. aeruginosa auch an neuen, noch nicht benutzten Zählern nachgewiesen werden. (→ Hamburgwasser & Pseudomonas aeruginosa):
In Niedersachsen war dieses Thema unter anderem Gegenstand einer Landtagsanfrage. Die Antwort der niedersächsischen Landesregierung kann hier nachgelesen werden. http://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen_wp_17/2501_bis_3000/ - Landtags-Drucksachennummer 17/2721.
Forschungen zum Ökosystemverhalten von Pseudomonas aeruginosa in Wasserleitungen wird deshalb unter anderem durch den DVGW gefördert und beim TZW untersucht (→ TZW & Trinkwasser & Projekte & Pseudomonas aeruginosa)
Legionella pneumophila und andere Legionellen:
Legionella pneumophila kann sogenannte „atypische Lungenentzündungen“ oder das grippeähnliche „Pontiac Fieber“ verursachen. Eine sichere Angabe zur Infektionsdosis kann nicht angegeben werden. Wie auch bei anderen Krankheitserregern spielt der jeweilige Zustand des Abwehrsystems des potentiellen Patienten eine große Rolle. Für Trinkwasser wurde deshalb ein „technischer Maßnahmewert“ eingeführt. Man geht davon aus, dass dieser Wert bei regelkonformem Betrieb (DVGW W 551) einer Heißwasserverteilungsanlage eingehalten werden kann. Legionelleninfektionen wurden aber auch bei Werten unterhalb dieses technischen Maßnahmewertes beobachtet. Andererseits kam es bei (deutlich) höheren Belastungen durchaus nicht immer zu Infektionen. Wenn Infektionen auftreten, erfolgen sie i.d.R. über die Atmungsorgane z.B. durch Aerosole durch Zerstäuben des Wasserstrahls beim Duschen.
Der technische Maßnahmewert beträgt 100 Legionellen / 100 ml Wasser. Wird dieser Wert übertroffen, so muss eine sogenannte Gefährdungsanalyse des Heißwassersystems durch Fachleute erfolgen, die das Heißwassersystem technisch und hygienisch begutachten. Anforderungen an die Überwachung von Heißwassersystemen und zur Durchführung der Gefährdungsanalyse sind beim Umweltbundesamt, Berlin, erhältlich. (→ UBA & Empfehlungen & Legionellen & Trinkwasser oder DVGW & Legionellen). Hier wird auch umfangreich beschrieben, wo und wann solche Untersuchungen durchgeführt werden müssen.
Beckenbäder – Betrieb gemäß DIN 19643
Zum Betrieb von Beckenbädern gibt es die Normenreihe des Deutschen Instituts für Normung (DIN 19643, Teil 1 – 4)) in der Fassung von 2012. Sie kann vom Beuth Verlag (Berlin) bezogen werden.
Für den aktuellen Vollzug durch die Gesundheitsbehörden hat das Umweltbundesamt (UBA) eine Empfehlung in Zusammenarbeit mit der Schwimm- und Badebeckenwasserkommission (BWK) beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) herausgegeben (→ UBA & Empfehlungen & Hygieneanforderungen & Beckenbäder)
Badegewässer gemäß der EU-Richtlinie von 2006/2008
Die Überwachung von natürlichen Badestellen an Oberflächengewässern des Binnenlandes und der Meeresküsten erfolgt EU-weit nach einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates aus dem Jahr 2006, die 2008 von den Bundesländern für Deutschland umgesetzt wurde.
Informationen zur Rechtsgrundlage, Überwachung und vor allem zur Wasserqualität und der Beeinflussung der Wasserqualität stellen die Bundesländer zeitnah im Internet dar.
z.B. führen die Suchbegriffe: Badegewässer & Niedersachsen zum sogenannten Badegewässeratlas des Landes Niedersachsen (→ Badegewässeratlas & Niedersachsen).
Die Sicherung der Qualität der Badegewässer erfolgt durch
- die Erfassung sämtlicher Einflussfaktoren im Bereich der Einzugsgebiete in einem sogenannten „Badegewässerprofil“
- die regelmäßige Kontrolle der Wasserqualität auf Indikatorbakterien
- die Vor-Ort Besichtigung bei der Probenentnahme i.d.R. durch die Gesundheitsämter
- Darstellung der Ergebnisse gegenüber der Öffentlichkeit und ggf. Rückkopplung durch Badegäste
Besonderheiten an der Nordsee:
Die Überwachung an Meeresbadestellen erfolgt im Prinzip in gleicher Weise, wie an Binnenbadestellen. Die Anforderungen an die mikrobiologische Wasserqualität sind allerdings deutlich höher. Ein Thema das durchaus umstritten ist. Denn in erster Linie soll ja der Badegast vor Infektionen geschützt werden. Warum wird dann an Badestellen des Binnenlandes eine deutlich geringere Anforderung an die Wasserqualität gestellt, als bei Meeresbadestellen? Wenn Wasser verschluckt wird, spielt die absolute Anzahl an Krankheitserregern eine Rolle, nicht aber, ob diese mit Süß- oder Meerwasser verschluckt wurden. Allerdings wird Meerwasser wegen des unangenehm bitteren Geschmacks schneller ausgespuckt als Süßwasser…
Eine Besonderheit ist die nur im Meer vorkommende mäßig salzliebende (halophile) Bakterienart Vibrio vulnificus, die schwere Erkrankungen hervorrufen kann und z.B. über Wunden in den Körper gelangt. Glücklicherweise tritt diese Erkrankung selbst im Ostseebereich nur selten auf und im Nordseebereich noch viel seltener. Diese Bakterienart ist zwar salzliebend, aber der Salzgehalt der Nordsee wirkt bereits hemmend.
Naturschwimmbäder – Bioteiche – Kleinbadeteiche:
In einer niedersächsischen Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 2000 werden die Naturschwimmbäder charakterisiert:
Bei den Kleinbadeteichen „…handelt es sich meist um ehemalige nach DIN 19643 betriebene Beckenbäder, die zu „Naturbädern“ umgebaut werden und bei denen eine Wasseraufbereitung durch Boden-, Kies- und / oder Sandfiltration sowie durch Schönungsteiche und Schilfgürtel, teilweise in Kombination mit Filtration erfolgt. Frischwasser wird meist nur zur Nachspeisung bei Verdunstungsverlust zugesetzt. Für Wartungsarbeiten besteht die Möglichkeit der vollständigen Entleerung.
Privatfirmen bieten in unterschiedlicher Technik diesen Um- oder Neubau unter den verschiedensten Bezeichnungen (z.B.: „Naturerlebnisbäder“, „Bioteiche“, „Schwimmteiche“ „Bio-Badebecken“) an. Dabei werden die vorhandene Wasseraufbereitung stillgelegt, bestehende Beckenmauern teilweise abgebrochen und stattdessen flache, bekieste Strandbereiche geschaffen. Die Anlage ist in der Regel zweigeteilt und besteht aus dem künstlichen Badeteich im engeren Sinne (ehemaliges Schwimmbecken) und einem bepflanzten Regenerationsbereich (Neuanlage). Zum Wasseraustausch werden am Badeteich teilweise Überlaufrinnen installiert, die überlaufendes Wasser über Rohrleitungen und/oder einen künstlich geschaffenen Bachlauf in den Regenerationsbereich bzw. die Aufbereitung transportieren. Die Erstbefüllung erfolgt in der Regel über das örtliche Wasserleitungsnetz, danach wird der Badeteich über Pumpen mit Wasser aus dem Regenerationsbereich befüllt.
Auf diese Weise betriebene Freibäder können, vor allem wegen des Verzichts auf Chlordesinfektion, nicht die hygienische Sicherheit eines nach DIN 19643 geführten Beckenbades gewährleisten.“
Das Umweltbundesamt hat seinerseits nach Anhörung der Schwimm- und Badebeckenwasserkommission (BWK) 2003 Anforderungen an diese Bäder formuliert aber auch Anregungen und Beschreibungen aus der niedersächsischen Empfehlung übernommen:
(→ UBA & Empfehlungen & Anforderungen & Kleinbadeteiche & 2003)
Deutlich wird hierin, dass die BWK in diesen Naturbädern höhere gesundheitliche Risiken annimmt, als sie in klassischen Beckenbädern, die gemäß DIN 19643 (s.u.) betrieben werden, bestehen. Der Grund ist die fehlende nachhaltige und kontinuierliche Desinfektion des Badebeckenwassers mit Chlor basierten Produkten. Gleichzeitig wird an den mündigen Bürger appelliert, diese Risiken zur Kenntnis zu nehmen und ggf. auch selbständig zu beurteilen, ob er diese Risiken einzugehen bereit ist. Der Badbetreiber hat daher auch eine Informationspflicht über diese Risiken gegenüber den Badegästen.
Wie groß diese Risiken im Detail sind, wird letztlich vom Umweltbundesamt nicht beschrieben. Sind sie nun größer als der Besuch einer Theatervorstellung oder der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln oder nicht?
Genau diese fehlende Chlordesinfektion wird von vielen Badbesuchern als Vorteil gesehen.
Die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) beschäftigt sich u.a. mit der Normengebung bei Naturschwimmbädern: (→ dgfnb & Naturschwimmbäder & fll)
Labor
Mikrobiologische Untersuchungsverfahren sind immer im Fluss. Seit der Veröffentlichung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) 2001/2003 sind die meisten mikrobiologischen Untersuchungsverfahren durch Normen (ISO EN DIN) geregelt. In Fällen, in denen Normen nicht vorliegen, ist das Untersuchungsverfahren direkt mit meist knappen Worten in der TrinkwV selbst beschrieben.
Clostridium perfringens:
Das Untersuchungsverfahren ist bisher in der TrinkwV aufgeführt (mCP-Verfahren). Seit kurzem (2014) existiert eine ISO Norm: Untersuchungsverfahren mit dem TSC-Agar nach ISO 14189
Escherichia coli:
Das Untersuchungsverfahren ist in der DIN EN ISO 9308 – 1 beschrieben. Eine Besonderheit ist, dass unter derselben Normenbezeichnung das Verfahren im Jahr 2014 geändert wurde.
Bei der Umstellung auf die neuen Verfahren sind Anforderungen aus der Akkreditierung zu beachten. Bei der Interpretation bestimmter Formulierungen aus der Trinkwasserverordnung, die die Umstellung auf neue Verfahren regeln sollen, gibt es Interpretationsbedarf. Das UBA versucht als oberster Hüter der korrekten Umsetzung Hilfe zu geben (→ UBA & Empfehlungen & Nachweisverfahren & Clostridium perfringens & Escherichia coli)
Mikrobiologische Trinkwasserringversuche:
Seit 2014 ist das Ringversuchssystem des NLGA nach der Norm DIN EN ISO 17043 für die Ausrichtung von Ringversuchen akkreditiert (→ NLGA & Niedersachsen & Akkreditierung & Qualitätsmanagement & DIN 17043)
Erklärung:
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